Konkrete Maßnahmen

Umbau von Sielen und Schöpfwerken

Beschreibung
Eine wesentliche Anforderung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) ist die Wiederherstellung der Durchgängigkeit der Fließgewässer, hauptsächlich mit dem Ziel, die Erreichbarkeit stromauf liegender Laichhabitate für wandernde Fischarten zu gewährleisten. Zur Erreichung der guten Ausprägung der Natura 2000-Schutzgüter ist darüber hinaus die Durchlässigkeit für andere Organismen erforderlich.

Folgende Maßnahmen sind grundsätzlich zielführend: 

  • Umbau der Sielbauwerke und Schöpfwerke (z.B. Anlage eines Bypasses, Einbau eines Fischdurchlasses in ein Sieltor bei gleichzeitiger Einrichtung einer Lockströmung für wandernde Arten, Einbau von „Aalpumpen“)
  • Verlängerung von Sielzugzeiten zur Vergrößerung und Verstetigung des Zeitfensters, in dem Austausch möglich ist, insbesondere durch die Vergrößerung der Öffnungszeit rund um die Niedrigwasser-/Stauwasserphasen und Verbesserung der zeitlichen Koordination der Sielzeiten mit den Hauptwanderphasen der Meerund Flussneunaugen zur Förderung der Erreichbarkeit geeigneter Nebengewässer
  • Durchführung zusätzlicher „Leerschleusungen“ insbesondere zu Zeiten mit großer Wanderungstätigkeit bei Bauwerken mit integrierten Schleusenkammern10
  • Renaturierung der Sielzüge, um durch geeignete Strukturen die Entwicklung von Gradienten zu ermöglichen 
  • Entwicklung von geeigneten Laichhabitaten in evtl. angebundenen Geestgewässern oberhalb der Siele und Schöpfwerke für die Zielarten.

Im Rahmen der Zusammenstellung von Maßnahmenvorschlägen für den Entwurf des Bewirtschaftungsplans für die Weser (FGG WESER 2008a) wird die Herstellung der Durchgängigkeit an verschiedenen Sieltiefs vorgeschlagen. Die Umsetzung soll insbesondere bei einer ohnehin anstehenden Erneuerung von Bauwerken erfolgen.

Weitere Informationen zur Maßnahme können dem Fachbeitrag 1 „Natura 2000“ als Arbeitsgrundlage entnommen werden.

Begründung
Im Planungsraum entwässern mit Ausnahme der tidebeeinflussten Nebenflüsse (Geeste, Hunte, Ochtum und Lesum) alle Gewässer über ein Siel oder Schöpfwerk in die Weser. Die Siele und Schöpfwerke dienen der Entund Bewässerung der binnendeichs gelegenen landwirtschaftlichen Flächen und werden tideabhängig gesteuert. Diese Bauwerke stellen die letzten Durchlässe zwischen Aue und Fluss innerhalb einer weitgehend geschlossenen Deichlinie dar. Sie schränken jedoch bisher den freien Austausch zwischen abiotischen und biotischen Faktoren in der Weser und ihrer Aue teilweise erheblich ein oder unterbinden ihn vollständig.

Natürliche Gradienten z.B. von Salinität oder der Besiedlung können sich nicht einstellen. Aufgrund der meist hohen Fließgeschwindigkeit bei der Entwässerung ist auch während der Sielzugzeiten ein Einwandern in die Sieltiefs oder Bäche für Kleinfische und benthische Organismen häufig nicht möglich.

Neben der Be- und Entwässerung des Hinterlandes ist es eine wichtige Aufgabe der Siele und Schöpfwerke, das Eindringen von Salzwasser in das binnenseitige Gewässersystem zu verhindern, um die landwirtschaftliche Nutzung nicht zu beeinträchtigen (Nutzung zur Bewässerung und als Tränkewasser für Vieh). Brackwasserlebensräume mit graduellem Übergang zur limnischen Zone und ihrer spezifischen Wirbellosen-Besiedlung sind daher im Planungsraum für den Lebensraumtyp Ästuarien defizitär. Bei der Umsetzung der Maßnahmen ist zu berücksichtigen, dass die an die Sieltiefs angeschlossenen Grabensysteme häufig eine wertvolle Vegetation und Fauna beherbergen, die empfindlich auf Veränderungen im Wasserchemismus reagiert (z.B. Krebsscherengräben mit Grüner Mosaikjungfer (Aeshna viridis)).

Der Umbau von Sielen und Schöpfwerken ist aus Sicht von Natura 2000 dringend erforderlich, um die Vernetzung der Weser mit ihrer Aue für Fische und andere Organismen wiederherzustellen oder verbessern. 

Hinweise zur Umsetzung
Es ist zunächst zu prüfen, welche Siel- und Schöpfwerke so umgebaut werden können, dass eine Durchgängigkeit hergestellt werden kann. Es bietet sich an, die Siele, die im Rahmen der Umsetzung des Generalplans Küstenschutz
umgebaut oder neu errichtet werden müssen, sowie solche ohne Freiflutphase vorrangig zu betrachten.
Für jedes Sielbauwerk oder Schöpfwerk muss dabei eine individuelle Lösung zur (Wieder-)Herstellung der Durchgängigkeit gefunden werden. Die standörtlichen Gegebenheiten und technischen Voraussetzungen der Bauwerke (Funktion und Betriebsweise) müssen in Betracht gezogen werden. Hierzu werden zurzeit erste Machbarkeitsstudien an ausgewählten Sielen erarbeitet (im Auftrag des NLWKN Brake-Oldenburg). Neben der technischen Realisierbarkeit der Durchgängigkeit muss auch das Potenzial der oberhalb der Siele liegenden Gewässer analysiert werden. Vorrangig ist die Wiederherstellung der Durchlässigkeit in Gewässersystemen, die geeignete Laichhabitate im Oberlauf anbieten.
Die Projektauswahl hat auch die Anforderungen der Nutzer hinter der Deichlinie und widerstreitende naturschutzfachliche Ziele zu berücksichtigen und sollte mit einer entsprechenden Beteiligung einhergehen.
Damit die Maßnahme aus Mitteln der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK) (teil-)finanziert werden kann, müssen die Umbaumaßnahmen zur Herstellung der Durchgängigkeit aus technischen Gründen des Küstenschutzes erforderlich sein. Auch eine Finanzierung des Umbaus aus Mitteln des „Niedersächsischen Fließgewässerprogramms“ ist grundsätzlich möglich.

Funktionsräumliche Ergänzungen und Konkretisierungen:

Funktionsraum 2
Im Rahmen einer Studie zur Verbesserung der Fischwechselmöglichkeiten an Sielen und Schöpfwerken der niedersächsischen Wattenmeerküste (vgl. BIOCONSULT 2009) wurde aus dem Funktionsraum 2 das Dreptesiel genannt, an dem prioritär Maßnahmen zur Verbesserung der Durchgängigkeit durchgeführt werden sollten.

Funktionsraum 3
insb. Anbindung der Nebenbäche Schönebecker Aue und Blumenthaler Aue sowie des Motzener Kanals

Funktionsraum 4
Aus Fachbeitrag 1 "Natura 2000" liegen für den Funktionsraum 4 Vorschläge für die Herstellung der Durchgängigkeit für Fische und Wirbellose aus der Weser in die Sieltiefs und Gräben des Vorlandes und Binnenlandes zur Schaffung der Durchgängigkeit in die Aue vor, die insbesondere im Rahmen der Umsetzung des Generalplans Küstenschutz geprüft werden sollten (vgl. FB 1).

Funktionsraum 6
Für die Hunte liegen Vorschläge zur Herstellung der Durchgängigkeit vor (FGGWESER 2008a). Zusätzlich sollte an weiteren Sielstandorten die Möglichkeit zur Herstellung der Durchgängigkeit geprüft werden (vgl. FB 1).
Die Anbindung bestehender Nebengewässer (Blankenburger Sieltief, Ollen, Hemmelsbäker Kanal) durch eine Optimierung der Passierbarkeit der Querverbauung verbessert den Austausch zwischen den Gewässern und fördert somit auch andere Arten der biotoptypischen Fauna, auch wenn sie keine unmittelbare Verbindung zu möglichen Laichgründen von Lachs und Neunaugen darstellen.

Funktionsraum 7
An einzelnen Sielbauwerken entlang der Lesum, die die Verbindung zu geeigneten Laichhabitaten unterbrechen (z.B. Ihle-Siel) sollen Möglichkeiten zur Verbesserung der Durchgängigkeit geprüft werden (vgl. FB 1).

F2 Weser Nordenham · Foto: ©terra-air-services

F2 Weser Nordenham

F3 Weser in Höhe Elsfleth · Foto: ©terra-air-services

F3 Weser in Höhe Elsfleth

F4 Strohauser Vorland · Foto: ©IBP Textband

F4 Strohauser Vorland

F6 Einmündung der Hunte · Foto: ©terra-air-services

F6 Einmündung der Hunte

F7 Weser und Lesum · Foto: ©terra-air-services

F7 Weser und Lesum